Gedanken zur Freiheit, inspiriert von Viktor Frankls Buch „Trotzdem Ja zum Leben sagen“, das in 26 Sprachen übersetzt wurde. Ein aufrüttelndes Zeitzeugnis, wie der Arzt  und Begründer der Logotherapie seine Zeit im Konzentrationslager erlebt  und welche großen Erkenntnisse zum Thema „Freiheit“ er daraus gewonnen hat.

Haben Sie sich schon einmal gewünscht, sich so richtig frei zu fühlen, so richtig frei zu sein, mit jeder Faser Ihres Körpers, aus tiefstem Herzen, mit Ihrem Geist, mit Ihrer Seele – durch und durch also? Kennen Sie diesen Moment, der sich ausdehnt, ganz unwillkürlich, wenn man seine Augen nicht von dem Vogel nehmen kann, der im majestätischen Flug über den Himmel zieht? Wie enthoben der Belange der Welt erscheint er doch und wie frei…
Wenn Sie solche Momente kennen, dann bin ich mir sicher, dass auch Sie sich gewiss mehr als einmal die Frage gestellt haben, was Freiheit denn eigentlich ist.

Ist Freiheit ein Zustand und wenn ja, welcher? Ist Freiheit ein inneres Gefühl oder eine gesellschaftliche Errungenschaft, die sich in bestimmten Rahmenbedingungen ausdrückt? Bedeutet Freiheit, frei von etwas zu sein, also beispielweise frei von Unterdrückung, oder bedeutet Freiheit frei zu sein etwas tun, etwas erlangen zu können? Oder ist sie all das auf einmal – eine vielschichtige, komplexe Angelegenheit, der man niemals gerecht wird, wenn man sie auf nur eine Dimension beschränken möchte? Und was geschieht mit dem Menschen, wenn er jeglicher äußerer Freiheit beraubt wird, wenn man ihm alles nimmt, jedes Recht, jeden Besitz, jeden Anspruch auf das Menschsein? Was bleibt dann noch von seiner Freiheit?

Die letzte aller menschlichen Freiheiten, die man dem Menschen auch nicht unter den extremsten Bedingungen nehmen kann, ist die innere Freiheit. Jene Freiheit, sich zu den gegebenen Verhältnissen „so oder so“ einzustellen. *

So beschreibt es Viktor Frankl, der Jahre des menschenunwürdigsten Grauens im Konzentrationslager erleben musste. Nach seinem jahrelangen, erschöpfenden, zermürbenden und qualvollen Kampf ums Überleben musste er feststellen, dass ihm nichts geblieben war. Er hatte überlebt, um sodann zu entdecken, dass nach seinem Vater auch seine Frau und seine Mutter gestorben waren. Sie alle waren im Konzentrationslager oder in Folge der Lagerhaft verstorben. Frankl war zu jener Zeit bereits Facharzt für Neurologie und Psychiatrie und er überlebte das Konzentrationslage vor allem auch deshalb, weil er es bewerkstelligte, selbst dieser grauenhaften Zeit einen Sinn zu verleihen. Er stellte sich immer und immer wieder vor, wie er nach Kriegsende als Psychiater und Psychotherapeut darüber sprechen würde, was unter den Bedingungen solch einer Lagerhaft mit der Psyche des Menschen geschieht. Er beobachtete sich selbst aus der Warte des Facharztes und hatte irgendwann die Erkenntnis, dass man dem Menschen alles nehmen kann, alles bis auf Eines: seine innere Freiheit.

Sein Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager“ ist ein aufrüttelndes Zeitzeugnis. Es beschreibt sachlich und ungeschönt, zu welchen zutiefst unmenschlichen Taten der Mensch fähig ist. Aber es zeigt auch, zu welcher Güte, Selbstlosigkeit und Stärke sich die menschliche Natur erheben kann. „Trotzdem Ja zum Leben sagen“ wurde in 26 Sprachen übersetzt und weltweit wurden über 12 Millionen Exemplare verkauft.

Viktor Frankl war Professor für Neurologie und Psychiatrie in Wien, begründete die psychotherapeutische Schule der Logotherapie und erhielt u.a. eine Professur in San Diego.

*vgl. … trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager
Viktor E. Frankl, dtv

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